10 Thesen der zukünftigen Nahverkehrsplanung

Folgende Thesen sind von der PlaNOS für den 3. Nahverkehrsplan aufgestellt worden und beschreiben die Zukunftsvisionen im Nahverkehr:

These 1: ÖV kann nur einen durchgreifenden Beitrag zur Stärkung des Standortfaktor und zur Klimabilanz leisten, wenn das derzeitige ÖPNV-Angebot zu einem innovativen Mobilitätsgesamtsystem ausgebaut wird.

Das derzeitige Angebot ist nicht attraktiv genug, um noch mehr Fahrgäste anzuziehen. Die Fahrgastzahlen stagnieren, wenn auch auf hohem Niveau. Kleinere Verbesserungen des ÖPNV werden zu keinem nachhaltigen Effekt in der Fahrgastentwicklung führen. Nur die grundlegende Entwicklung eines innovativen ÖPNV-Systems kann zu einer Steigerung des Marktanteils führen. Das bedeutet, dass im Sinne des Klimaschutzes der motorisierte Individualverkehr (MIV) zurückgehen muss.

Ein innovatives ÖV-System beinhaltet die Eingliederung in ein integratives Mobiltätsgesamtsystem, das den ÖV mit anderen Verkehrsmitteln (zumeist nicht privaten) ergänzend kombiniert.

These 2: Der ÖPNV kann nur Marktanteile gewinnen, wenn er attraktiv ist. Attraktivität erlangt der ÖPNV vorrangig durch die Unabhängigkeit vom Individualverkehr.

Ziel ist es, dem Fahrgast das Gefühl zu geben, schneller zu sein als der restliche Verkehr. Die konsequenteste Umsetzung ist die eigene Trasse für den ÖPNV – unabhängig vom motorisierten Individualverkehr (MIV). Eine weitere Möglichkeit wäre die Einführung von Vorrangtrassen für den ÖPNV einerseits und für den MIV andererseits, d. h. Differenzierung der Nutzung von parallel geführten Straßen (z. B. Natruper Straße als Vorrangtrasse für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes mit dem Ausschluss von MIV-Durchgangsverkehr und die Pagenstrecherstraße für den MIV).

These 3: Gesteigert wird die Attraktivität durch den Ausbau des ÖPNV auf Eigentrasse zu einem „hochwertigen Gesamtsystem“.

Zu einem hochwertigen Gesamtsystem gehören hochwertige, schnelle ÖV-Verbindungen auf Hauptachsen zwischen großen bzw. dicht besiedelten Stadtteilen und der Innenstadt und geringer Flächenerschließung („keine Schleifen“) einerseits und der Einsatz von Subsystemen für die Erschließung der Fläche andererseits.

Die Wahl des Betriebsmittels/Fahrzeugs ist nicht entscheidend. Die Systemalternativen sind „Busbahn“-Systeme über spurgeführte Systeme bis zu modernen Straßenbahnen.

Busbahnsysteme haben den Vorteil, dass sie mit moderaten Investitionskosten schnell umsetzbar sind. Sämtliche Einzelkomponenten werden als ein zusammenhängender Gesamtkomplex gesehen. Der Fahrweg gilt als Kernkomponente des Sytems auf den Hauptachsen. Ein verkehrs- und bautechnisch angemessenes ÖPNV-Beschleunigungsprogramm muss zusätzlich aufgestellt werden.

These 4: Zur Akzeptanzsteigerung eines neuen ÖV-Systems ist ein durchgängiges, modernes Design einzusetzen.

Das Innovative am System muss auch optisch bei Fahrzeugen und Haltestellen zur Geltung kommen. Eine moderne Gestaltung des Fahrzeuges lässt die technische Basis des Betriebsmittels kaum noch erkennen, so dass der Bus sich optisch kaum noch von einer Straßenbahn unterscheidet.

These 5: Die Zukunft des ÖPNV-Antriebs ist elektrisch.

Der elektrisch betriebene ÖPNV stellt die sauberste und effizienteste städtische Mobilitätslösung dar und wird in Zukunft immer mehr den reinen Dieselantrieb verdrängen. Um zu 100 % emissionsfrei vor Ort zu fahren, kommt vor allem gegenwärtig der abschnittsweise Einsatz von Oberleitungen in Frage. Entwicklungen über andere Stromzuführungen oder Batteriebusse sind für Gesamtsysteme noch nicht marktreif.

Als Übergangslösung stellen Hybridbusse, die abschnittsweise komplett emissionsfrei fahren können, eine Alternative dar. Darüber hinaus sind elektrische Midibusse mit Batteriebetrieb auch im Innenstadtbereich eine Möglichkeit, bestimmte Gebiete zu erschließen.

These 6: Die Einführung eines neuen ÖV-Systems ist in Stufen zeitnah möglich.

Das Gesamtsystem soll stufenweise aufgebaut werden. Erste Umsetzungen sollten bis Mitte des Jahrzehnts erfolgen. Schienensysteme sind zeitnah aufgrund des Investitionsvolumens und der vorhandenen städtebaulichen Struktur nicht umzusetzen. Die Umstellung des Bussystems sollte die spätere Einführung einer Straßenbahn ermöglichen.

Eine Entscheidung für die Zukunft ist „jetzt“ zu treffen.

These 7: Der Regionalverkehr ist in ein innovatives System eingebunden.

Die Vorteile für Stadt und Landkreis durch die Integration des Regionalverkehrs in den Stadtverkehr sind weiterhin zu gewährleisten. Zu diesem Zweck müssen die ÖV-Trassen auch von den Regionalbussen nutzbar sein, um unattraktive Umstiege zu vermeiden.

Das System muss auf das OS-Bahn-Konzept abgestimmt sein und die Anbindung der Bahnhöfe aufwerten.

These 8: Das OS-Bahn-Konzept wird so umgesetzt und weiterentwickelt, dass die Region optimal an das Stadtzentrum und an weitere Verknüpfungspunkte des Busverkehrs angebunden ist.

Durch die Einrichtung zusätzlicher Haltepunkte (z. B. Rosenplatz) können auch andere bedeutende Teile des Stadtzentrums direkt erreicht werden. Eine Aktivierung weiterer Regionalbahnstrecken (beispielsweise Tecklenburger Nordbahn) und eine Verdichtung des Taktes können zu einer zusätzlichen Entlastung der Straße beitragen.

These 9: Die Flächenerschließung in der Region sowie in dünn besiedelten Teilen des Stadtgebiets wird durch differenzierte Bedienungsweisen verbessert.

Durch den Einsatz von Systemen zur differenzierten Bedienung (z. B. Rufbus, Taxibus, Anrufbus, Stadtteilbusse) kann ein ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum und in einzelnen Bereichen des Stadtgebiets wirtschaftlicher betrieben werden.

These 10: Die Nutzung von „Mobilitätsketten“ gewinnt erheblich an Bedeutung.

„Weder der motorisierte Individualverkehr noch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sind aus Kapazitätsgründen allein in der Lage, alle Mobilitätsansprüche der Stadt- und Umlandbewohner zu befriedigen“, erklärt ADAC-Präsident Peter Meyer im gemeinsamen Pressegespräch mit dem VDV. „Es ist daher nicht sinnvoll, die einzelnen Verkehrsangebote in Konkurrenz zueinander antreten zu lassen. Das Ziel muss es sein, alle in einer Stadt zur Verfügung stehenden, komplementären Mobilitätsangebote für den Kunden effektiv mit einander zu vernetzen“, sagt VDV-Präsident Jürgen Fenske. Für den VDV und ADAC ist die Förderung der „vernetzen Mobilität “ daher der richtige Weg, um gegen die starke Verkehrsbelastung der Ballungsräume anzugehen und zugleich umweltschonend zu agieren.

Einerseits sind dazu attraktive Mobilitätsstationen notwendig, die einen Umstieg von einem Verkehrsmittel auf das andere möglichst komfortabel und reibungslos möglich machen. Andererseits sollen verkehrsmittelübergreifende Informations-, Vertriebs- und Abrechnungssysteme das Wechseln zwischen den Verkehrsträgern attraktiv und einfach gestalten. Die Nutzung von Mobilitätsketten (z. B. CarSharing-ÖPNV-Leihfahrrad) kann nur auf diese Weise unkompliziert funktionieren. Die Einführung des E-Ticketing ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Mobile Echtzeitinformation ist ein weiterer wesentlicher Baustein.